* 19. Dezember 1894
† 28. Juni 1979
von Daniela Reinhold
Essay
Zwei Kriege, politische Revolutionen, technische Entdeckungen, künstlerische Umwälzungen, Staatenzusammenbrüche, Staatengründungen: In die Biografie wie das Werk Paul Dessaus hat sich das wechselnde Geschehen des 20. Jahrhunderts markant eingeschrieben. Doch davon war zunächst wenig zu spüren, als er am 19. Dezember 1894 in Hamburg als einziger Sohn des Tabakhändlers Sally Dessau (1849–1923) und seiner Frau Louise, geb. Burchard (1863–1942), geboren wurde. Jüdische Lebensformen, Musikertraditionen in der Familie, musisches Klima im Elternhaus, frühe Orientierung auf eine Interpretenlaufbahn, Studium im renommierten Konservatorium, erste Kompositionen, Weltkriegserfahrung, Lehrjahre als Kapellmeister, Entscheidung für ein freies Komponistendasein – die ersten 39 Jahre wichen in ihren Eckdaten von anderen Komponistenbiografien seiner Generation kaum ab. Wesentlich waren die Aneignung des Handwerklichen, die Einbindung in das aktuelle Musikleben, die Orientierung in den durch technische Innovationen veränderten Künsten. Und doch bildete sich in diesen frühen Jahren aus, was später in gewandelter Gestalt Dessaus Wirken menschlich und künstlerisch bestimmen sollte.
Über mehrere Generationen hinweg wurde Dessaus väterlicher Familienzweig von jüdischen Kantoren geprägt. Sein Urgroßvater Berend Moses Dessau war 40 Jahre lang Kantor, zuletzt Oberkantor in der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg. Sein Großvater Moses Berend Dessau wirkte als Vorsänger in den Synagogen ...